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Systemrelevant und Teil der kritischen Infrastruktur

Lobbyarbeit und gute Argumente haben zur entsprechenden Einordnung der Bestatter geführt - im Zusammenhang mit Impfungen gegen Covid19 zur überfälligen Priorisierung.

Bildnachweis: Daniel Schludi / unsplash

Angesichts der immer dramatischeren Entwicklung der Corona-Pandemie mit einer mittlerweile erheblichen Übersterblichkeit stellte sich immer mehr die Frage nach der Anerkennung und Bedeutung des Bestatterhandwerks.

Die Lobbyarbeit von BestatterDeutschland und seiner Mitgliedsorganisationen dazu hat Früchte getragen: Zum 08.02.2021 wurde die neue Impfverordnung im Bundesanzeiger veröffentlicht und dabei die Forderung von BestatterDeutschland aufgegriffen, dass Bestatter zumindest in die Gruppe der Personen mit erhöhter Impfpriorität gehören. Das Bundesgesundheitsministerium hat die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung) im Bundesanzeiger veröffentlicht. Bestattungsunternehmen wurden nun offiziell in diese dritte Gruppe eingruppiert – siehe § 4, Abs. 1, Nr. 5 Schutzimpfungen mit erhöhter Priorität in der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Mit dieser Verordnung sind die Bestatter nun als Teil der kritischen Infrastruktur anerkannt und den Personen bei Polizei, Zoll, Gericht, Katastrophenschutz, etc. gleichgestellt.

„Dieses Ergebnis ist der Zusammenarbeit der Verbände und maßgeblichen Unterstützung unserer hauptamtlichen Mitarbeiter und unseres Hauptgeschäftsführers geschuldet“, äußert sich der stellvertretende Fachgruppenvorsitzende Werner Engelke sehr zufrieden. „Dafür gebührt ihnen allen unser herzlicher Dank.“

In verschiedenen Zusammenhängen wurde die Frage der so genannten Systemrelevanz diskutiert. Dabei handelt es sich um keinen juristischen Tatbestand mit einem klar definierten Bedeutungsinhalt. Wie so oft in rechtlichen Fragen hängt die Definition oder Auslegung des Begriffes sehr stark von den Rechtsfolgen ab, die damit verknüpft sind. In den Corona-Rechtsverordnungen definierten die Bundesländer ursprünglich die Systemrelevanz danach, wer sein Kind (bis zu zwölf Jahren) zur Notbetreuung in Kindertagesstätten oder in den Schulen unterbringen durfte. Das waren insbesondere solche Berufe wie Krankenschwestern oder Kassiererinnen, die zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung „den Laden am Laufen hielten“. Die Kindernotbetreuung spielt aber mittlerweile keine Rolle mehr. Auch ein anderer Aspekt der Systemrelevanz wurde nie wirklich relevant, nämlich die Frage nach der bevorzugten Ausstattung mit Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung, insbesondere Schutzmasken. Denn nach dem anfänglichen Engpass haben Handel und Industrie schnell reagiert. Selbst führende Lackhersteller haben ihre Produktion zum Teil auf die Herstellung von Desinfektionsmitteln umgestellt, so dass zu erträglichen Preisen genügend Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. Das Gleiche gilt für die Versorgung mit Alltags- und sogar mit FFP2-Masken.

Keine Versorgungsengpässe bisher

Bis heute ist Franz-Josef Grundmann, Vorsitzender von Bestatter Deutschland, kein Fall bekannt, bei dem ein Bestatter längere Zeit notwendige Hygieneartikel nicht bekommen hätte: „Auch die Versorgung mit Särgen gleich welcher Art, insbesondere mit Feuerbestattungssärgen, verlief bislang problemlos.“ Allenfalls zu Beginn der Pandemie unter dem Eindruck der Geschehnisse in Bergamo, als sich noch manch ein Bestatter weit über Bedarf mit Särgen eindeckt habe, sei es kurzfristig zu Engpässen gekommen. Mittlerweile ist das jedoch kein Thema mehr und erfahrene Bestatter wie Grundmann vertrauen auf die Kriseninstrumente der Landesgesundheitsministerien, zu denen sich mittlerweile ein ordentlicher Kontakt entwickelt hat.

Dennoch war die Frage der Systemrelevanz keine Phantomdiskussion! Denn wie Martin Paukner, der Hauptgeschäftsführer von BestatterDeutschland klarstellt, war immer noch die Frage zu klären, wieso nicht auch generell Bestatter, wie zum Beispiel jetzt in Berlin, ausdrücklich zur kritischen Infrastruktur gezählt werden und so eine erhöhte Impfpriorität erhalten. Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) findet sich eine Liste der systemrelevanten Bereiche vom 30. März 2020, die sich an die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz) anlehnt. Nach diesem Muster hatte das Bundesgesundheitsministerium auch die Corona-Impfverordnung gestrickt.

Erhöhte Priorität bei Coronavirus-Schutzimpfungen

Grundsätzlich unterscheidet die Rechtsverordnung beim Anspruch auf Schutzimpfung vier Gruppen in der Reihenfolge von höchster über hohe und erhöhte Priorität bis zum Rest der Bevölkerung. In § 4 der Verordnung wird die erhöhte Priorität unter anderem mit Personen (dort unter Ziffer 4) definiert, die in besonders relevanter Position in weiteren Einrichtungen und Unternehmen der kritischen Infrastruktur tätig sind, insbesondere im Apothekenwesen, in der Pharmawirtschaft, in der Ernährungswirtschaft, in der Wasser- und Energieversorgung, in der Abwasserentsorgung und Abfallwirtschaft, im Transport- und Verkehrswesen sowie in der Informationstechnik und im Telekommunikationswesen. Das Bestattungswesen, also z. B. Bestatter und Krematorien, sind nun hier ausdrücklich erwähnt. Allerdings umfasst die Gruppe immerhin 15 Millionen Menschen.

Im Schulterschluss mit dem Bundesverband Deutscher Bestatter hatte BestatterDeutschland deshalb auch über den Zentralverband des Deutschen Handwerks die Ministerien auf Bundesebene über den besonderen Stellenwert der Bestatter zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerade im Pandemiefall informiert. Es ist auch nicht zu verkennen, dass Bestatter in höherem Maße als die Durchschnittsbevölkerung mit Covid 19-Fällen konfrontiert werden, sei es bei den Verstorbenen selbst, sei es im Kontakt mit deren Angehörigen. Daraus resultiert trotz aller Hygienevorkehrungen sicher ein höheres Ansteckungsrisiko, das durch eine frühzeitige Impfung reduziert werden kann.

Probleme durch Kleinstaaterei

Für Engelke sind damit aber noch nicht alle Probleme beseitigt: „Wir leiden an einer unsäglichen Kleinstaaterei in Sachen Vorgaben durch Covid19-Vorschriften. Grundsätzliche Regeln müssten eigentlich bundeseinheitlich gelten!“ Als Beispiel nennt der niedersächsische Bestattermeister den Umgang mit Verstorbenen, die wegen Covid19 im Sinne der Hygiene und des Gesundheitsschutzes im Bodybag liegen. In Hamburg werde dann gefordert, die Verstorbenen aus der Schutzhülle heraus zu holen, weil bei deren Zersetzung Mikroplastik in den Boden freigesetzt werde. „Hier wird der Bestatter unnötig gefährdet und Umweltschutz vor Gesundheitsschutz gesetzt – da kann man nur den Kopf schütteln.“